- japanische Schrift.
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Japan war ursprünglich schriftlos. Durch Festlandkontakte in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten lernten die Japaner die chinesische Schrift kennen und übernahmen sie, v. a. durch koreanische Vermittlung, seit dem 5. Jahrhundert. Die chinesische Schrift ist jedoch für die agglutinierende, mehrsilbige japanische Sprache wenig geeignet; sie wurde daher durch teils begriffswertige, teils lautwertige Verwendung der Wortzeichen (Kanji) und durch die Entwicklung einer Silbenschrift (Kana) bis zum 9./10. Jahrhundert den Eigenheiten der japanischen Sprache angepasst. Die eigentliche chinesische Schrift wurde als Medium einer gelehrten Schriftsprache (Kambun) bis zur Neuzeit in Japan gepflegt.Die Kanji können in zweierlei Weise gelesen werden: Man unterscheidet a) Kun-Lesung: Übernahme des Begriffswerts des betreffenden Zeichens in rein japanischer Lesung; b) On-Lesung: Übernahme des Begriffswerts in sinojapanischer (d. h. japanisch adaptierter) Lesung, häufig in mehreren sinojapanischen Varianten je nach der Zeit der Übernahme. Beide Lesungen waren schon im 8. Jahrhundert verbreitet und werden nach ihrem Gebrauch in der Gedichtanthologie Manyōshū auch Manyōgana (»im Manyōshū gebräuchliche entlehnte Zeichen«) genannt. Die häufige Verwendung von Zeichengruppen für bestimmte japanische Silben führte zur Herausbildung einer Kursivschrift, aus der sich im 9./10. Jahrhundert die Hiragana (»glatte, vollständige Kana«) entwickelte; diese wurde anfänglich auch als »Frauenhandschrift« (Onnade) bezeichnet, da sie von schriftkundigen Damen benutzt wurde. Etwa gleichzeitig entstand eine zweite Form der Silbenschrift, Katakana (»als Teilstück entlehnte Zeichen«), die ursprünglich als Lesehilfe für chinesische Texte Verwendung fand. Im Laufe der Heianzeit (794-1185) stabilisierte sich die japanische Schrift als eine Mischschrift aus Kanji und Kana, wobei die Kana v. a. für die morphologischen Elemente (Okurigana, »begleitende Kana«), zum Teil auch als Lesehilfe für die Aussprache chinesischer Zeichen (Furigana, »zugefügte Kana«) verwendet wurden. Die Lateinschrift (Rōmaji, »römische Schriftzeichen«) konnte sich in Japan nicht durchsetzen; sie wird nur für Transkriptionszwecke benutzt.Die 47 Silbenzeichen, zu denen noch das Silben schließende Zeichen für »n« tritt, werden generell in Form einer 50-Laute-Tafel (Gojūonzu) in zehn senkrechten Reihen von rechts nach links von je fünf Zeichengruppen von oben nach unten angeordnet.Die Kompliziertheit der japanischen Schrift hat seit der Meijizeit (1868-1912) Reformversuche ausgelöst, die schließlich zu einer Schriftreform nach dem Zweiten Weltkrieg führten (1946-51). Diese konzentrierte sich auf eine Modernisierung der Kanarechtschreibung in Anpassung an die moderne Aussprache (Gendai-kanazukai) und eine Beschränkung der Gebrauchskanji (Tōyō-kanji: 1 850 Wortzeichen); ihre Anzahl wurde durch Novellierung (1981) auf 1 945 Wortzeichen (Jōyō-kanji) erhöht.Traditionell wird in von oben nach unten verlaufenden, sich von rechts nach links reihenden Zeilen, in modernen Texten auch (nach Art der Lateinschrift) in Querzeilen von links nach rechts geschrieben. Die alte Schreibweise mit Pinsel und Tusche wird nur noch kalligraphisch geübt, bildet jedoch die Grundlage für die Strichreihung und Strichführung im handschriftlichen Duktus.H. Zachert: Schriftreform in Japan, in: Nachr. der Gesellschaft für Natur- u. Völkerkunde Ostasiens, Bd. 74 (1953);W. Hadamitzky: Kanji u. Kana. Langenscheidts Lb. u. Lex. der j. S. (1980);N. Twine: Towards simplicity: Script reform movements in the Meiji period, in: Monumenta Nipponica, Jg. 38 (Tokio 1983);D. Foljanty: Die j. S., in: J. S., Lautstrukturen, Wortbildung (21987);W. Müller-Yokota: Abriß der geschichtl. Entwicklung der Schrift in Japan, in: Bochumer Jb. zur Ostasienforschung, Jg. 10 (1987).
Universal-Lexikon. 2012.